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GAZPROM ALS DIE GEFÄHRLICHE WAFFE VON PUTIN – WANN WIRD ER SIE IM KONFLIKT MIT DER UKRAINE EINSETZEN?

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Mit großer Sicherheit ist davon auszugehen, dass Kreml-Chef Putin in der Auseinandersetzung in der Ukraine eine seiner gefährlichsten Waffen einsetzen wird – seinen Energiekonzern Gazprom. Früher oder später wird Putin Gazprom als ein zentrales Erpressungsinstrument einsetzen. Deshalb ist ein Rückblick notwendig. Er zeigt, dass Gazprom, an dem übrigens auch deutsche Energiekonzerne beteiligt sind, den Gashahn in Richtung Westen schon häufig zugedreht hatte um politischen Druck auszuüben. Das englische Wirtschaftsmagazin The Economist schrieb bereits 2006 in einem Artikel mit der Überschrift „Lege dich nicht mit Russland an“: „Putins Einsatz von Energie als Waffe ist nur eine Instanz des russischen Selbstbewusstseins, das heutzutage an Gangstertum anzugrenzen scheint.“[1]Von diesem Weltkonzern kommt immer wieder gebetsmühlenartig die Aussage, die von deutschen Politikern gern nachgeplappert wird: Durch Gazprom werde die Versorgungssicherheit mit Gas in Europa, insbesondere in Deutschland oder Österreich, sichergestellt.[2] Tatsache ist, dass derzeit mehr als ein Viertel des Gesamtbedarfs der EU aus russischen Quellen stammt. „Laut Berechnungen des deutschen Bundestags wird die Abhängigkeit der EU bis ins Jahr 2030 auf sechzig Prozent anwachsen.“[3] Bulgarien, Estland, Finnland, Lettland, Litauen und die Slowakei sind zu hundert Prozent von russischem Gas und damit von Gazprom abhängig, während andere Länder wie Dänemark, Schweden, Spanien, Irland, Portugal und Luxemburg von Gazprom völlig unabhängig sind. Belgien und die Niederlande wiederum vertrauen nur in geringem Umfang auf Gaslieferungen aus Russland, die Tschechische Republik, Griechenland, Ungarn, Österreich und Slowenien dagegen sind im wesentlichen auf russische Quellen angewiesen, Österreich zu knapp 63 Prozent. Auch Polen, Deutschland und Italien weisen eine hohe Abhängigkeit vom russischen Gas auf, die jedoch unter fünfzig Prozent liegt, Frankreich und Rumänien demgegenüber beziehen nur wenig Gas aus Russland.

Abhängig zu sein bedeutet, erpressbar zu sein. Bis zum heutigen Tag ist zum Beispiel Litauen bezüglich seiner Energieversorgung an einen Vertrag gebunden, der im Februar 2001 mit dem staatlichen Energiekonzern Vereinte Russische Energiesysteme (RAO JES) abgeschlossen wurde, für den übrigens das sogenannte Fußballidol Beckenbauer aktiv ist. Alle Versuche, diesen Vertrag zu kündigen, blieben ergebnislos, trotz unterschiedlichster Regierungen in Litauen. Immer wieder mussten die Verträge verlängert werden.

Und der litauische Ministerpräsident Algirdas Brazauskas (2001–2006) wird mit den Worten zitiert: „In meiner gesamten Amtszeit ist es das erste Mal, dass ich einen solchen negativen Einfluss eines russischen Energieunternehmens oder des russischen Geheimdienstes auf das litauische Energiesystem erlebt habe.“[4]

„Es ist sehr schlecht, dass die Energiefrage politisiert wird“, antwortete im Oktober 2007 der damalige ukrainische Präsident Viktor Juschtschenko auf die Frage des Journalisten Boris Reitschuster, ob Russland Gas als politische Waffe einsetze. „Immer mehr Länder werden diese Bedrohung spüren. Das ist kein Problem der Ukraine, sondern der ganzen Welt, auch von Europa und Deutschland.“[5]

Zwei Jahre später schrieb Spiegel Online: „Die Drohung ist so drastisch wie unmissverständlich. Der russische Staatskonzern Gazprom hat die Gasversorgung Europas von dem Ausgang der Präsidentenwahl in der Ukraine abhängig gemacht. Man habe ein Interesse an ‚klaren Verhältnissen‘.“[6] Dabei war bereits Anfang 2008 eine andere Drohkulisse gegen die Ukraine aufgebaut worden.

Russland war lange Zeit der einzige Gasversorger Georgiens. Tiflis bezog sein Gas von Gazprom und einer Mittlerfirma, der Itera, die wiederum eng an Gazprom gebunden war. Georgien versuchte, seit Michail Sakaschwili die Regierung im Jahr 2004 übernommen hatte, sich von russischen Gaslieferungen unabhängiger zu machen. Vergeblich. „Die Regierung Putin hatte in den vergangenen Jahren bereits mehrfach die Gasversorgung Georgiens als Druckmittel gegen den nach Westen strebenden Nachbarn eingesetzt.“[7]

Im Jahr 2006 drohte eine neue Preiserhöhung, und zwar sollte das Gas doppelt so viel wie vorher kosten. Anfangs weigerte sich die Regierung in Tiflis, diese enorme Preissteigerung für das Gas zu bezahlen. Sie sprach von einem politischen Preis und dass das Gas als politische Waffe gegen den im Kreml unbeliebten Präsidenten Sakaschwili eingesetzt würde. Daraufhin drohte Gazprom, den Gashahn für Georgien zuzudrehen. Und die Regierung in Tiflis knickte ein, nachdem Russland auch den Transit von Gas aus Kasachstan für Georgien durch russische Pipelines abgelehnt hatte.

Das ist weit weg von Europa, denken vielleicht einige. Tatsächlich?

In Lettland wurde 2003 der Ölhahn gesperrt, in Litauen zwischen 1992 und 2002 und erneut 2006, in Polen der Gashahn im Jahr 2004 und in Tschechien der Ölhahn 2008, ganz zu schweigen von der Unterbrechung der Gaslieferung während des sogenannten Gaskrieges im Januar 2006 zwischen Russland und der Ukraine. Auch für die wichtigste deutsche Ölraffinerie in Schwedt, Landkreis Uckermark, lief im Januar 2006 aus der Pipeline mit dem sinnigen Namen Druschba (Freundschaft) kein Öl, und in Leuna wurde die Öllieferung ein Jahr später, im Januar 2007, aus „geschäftlichen Gründen“ ebenfalls unterbrochen.[8]

Am 1. September 2009 trafen sich in Danzig der russische Ministerpräsident Wladimir Putin und der neugewählte bulgarische Ministerpräsident Bojko Borissow. Unter anderem ging es um gemeinsame Energieprojekte wie das Atomkraftwerk Belene, in das Russland über den Energiekonzern Gazprom investieren will. Und darum, dass Bulgarien endlich seine Zustimmung zur Erdgasleitung South Stream geben soll. In den von Wikileaks veröffentlichten Depeschen der US-Botschaft in Sofia vom 5. Oktober 2009 wurde bekannt, wie diese Gespräche im Detail verlaufen sind: „Ministerpräsident Borissow steht eindeutig unter Druck des russischen Ministerpräsidenten Putin, um eine Entscheidung zu treffen, dass Bulgarien sich vorwärts bewegt mit den zentralen russischen Energieprojekten.“

Putin habe bei diesem Gespräch dem bulgarischen Ministerpräsidenten gedroht, dass Bulgarien „einen kalten Winter riskiert“, wenn sich Borissow mit den Projekten nicht „vorwärts bewegt“.[9]  Aber Putin hat ja Freunde in Deutschland die das alles wenig kümmert. Da ist nicht nur der Ex-Bundeskanzler Gerhard Schröder, sondern auch der Chef von Schalke o4 Tönnies. Er erklärte in einem Interview in der „Berliner Morgenpost“ vom 12. März 2013: Frage: „Es heißt, bei Ihren Begegnungen mit Putin hätten Sie zwei Sporttaschen mit Tönnies-Fleisch dabeigehabt…

Tönnies: Sie sind gut informiert. Wladimir Putin isst sehr gerne deutsches Schweinefleisch.

 

Leckeres Schnitzel?

T.:Nein. Eisbein, Haxen, groß geschnitten. Die kocht er übrigens selbst, mit großer Hingabe. Er ist ein sehr guter Koch.

 

Sie gehen also die Treppen des Kreml hoch, haben Schweinefleisch in Taschen und übergeben Sie einem der mächtigsten Männer der Welt?

T.: Ja klar, warum denn nicht? Ich habe ja nicht nur das Fleisch dabei, er bekommt bei jedem Besuch von mir das aktuelle Schalke-Trikot.“

 

 

 

 

 

 

 


[1] The Economist, 13. Dezember 2006

[2] http://www.gazprom-germania.de/unsere-russischen-wurzeln.html

[3] Neue Zürcher Zeitung, Zürich, 25. Juli 2009

[4]www.redorbit.com/news/business/1170054/analysis_traces_russias_involvement_in_lithuanian_electricity_market/

[5] www.reitschuster.de/index.asp?typ=petto&newsid=5336

[6] www.spiegel.de/wirtschaft/soziales/0,1518,648667,00.html

[7] Civil Georgia, Imedi News, 15. August 2007

[8] Vladimir Socor: Germany Vulnerable to Russian Energy Supply Manipulations, Eurasia Daily Monitor, 9. Januar 2009

[9] US-Depesche, Botschaft Sofia, Betrifft: In Pursuit of Energy Diversification, PM turns to U.S. Companies, 5. Oktober 2009

 


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