Die neue nationalkonservative PiS-Regierung in Polen wird in Europa heftig kritisiert. Dazu zählt insbesondere das neue Mediengesetz, durch das die Unabhängigkeit des öffentlich-rechtlichen Fernsehsenders TVP und der polnischen Nachrichtenagentur ausgehebelt werden soll.
Dabei praktiziert die neue nationalkonservative Regierung in Warschau leider genau das gleiche , was die Vorgängerregierung unter dem damaligen Ministerpräsidenten Tusk und der liberalkonservativen Partei Bürgerliche Plattform ebenfalls hemmungslos umsetzte – ohne das es im Westen große Proteste gab: Ob Spitzenposten in Verwaltung, Staatsbetrieben, Justiz, Polizei oder Medien (einschließlich der öffentlichen Radio- und Fernsehsender ) – sie wurden gesäubert und durch Parteigänger der Bürgerlichen Plattform ersetzt. Beides ist zu verurteilen. Doch die Aufregung in den deutschen Medien und in Europa scheint daher etwas fragwürdig zu sein.
Ich frage mich auch, warum von deutschen Medien als Kronzeuge für die höchst umstrittenen Aktivitäten der neuen Regierung immer die polnische Zeitung Gazeta Wyborcza zitiert wird. Sie war und ist bekanntlich strikt auf dem Kurs der jetzt oppositionellen Bürgerlichen Plattform. Und wenn nun EU-Kommissar Oettinger fordert, Warschau unter Aufsicht zu stellen und der Rechtsstaatsmechanismus aktiviert werden müsse, dann ist das an Zynismus und Scheinheiligkeit nicht mehr zu überbieten. In Ungarn, wo Premierminister Orban die Demokratie längst außer Kraft gesetzt hat, ist all das, was jetzt der neuen polnischen Regierung vorgeworfen wird, bereits umgesetzt worden. Doch gegenüber der Orban-Regierung waren solche Forderungen aus Brüssel nie zu vernehmen. Hängt das vielleicht damit zusammen, dass die Orban-Regierung eng mit der CSU verbunden ist und auch immer noch Mitglied der Europäischen Volkspartei ist?